Wissenschaft auf Messers Schneide

Das neue Barrett Center for Technology Innovation präsentiert sich als ambitionierte Schnittstelle zwischen Studenten und Unternehmen. Diesen Anspruch betont das Barrett Center nicht zuletzt mit einem auffälligen Erscheinungsbild. Es zählt zu den beeindruckendsten Gebäuden auf dem Nord-Campus des Humber Colleges in Toronto. Von der Rückseite her betrachtet, wirkt seine Silhouette fast wie die Schneide eines riesigen Messers. Auf der Frontseite wandelt sich dieses Bild. Statt Messers Schneide tritt aus dem spitz zulaufenden Baukörper ein großer und verglaster Lobbybereich hervor, der mit einer dynamisch wirkenden, freitragenden Form und einer leuchtend orangenen Farbigkeit einen starken Akzent setzt. Die Lobby öffnet sich zu der zentralen Haltestelle des Campus mit Anschluss an mehrere Buslinien. Der Nord-Campus ist der größte Teilbereich des Humber College. Rund 19.000 Vollzeit-Studenten sind hier eingeschrieben, 1.000 Studenten wohnen auf dem Gelände.

Der Lobbybereich des Barrett Centers dient durch den Anschluss an die große Bus-Haltstelle gleichzeitig als zentraler Empfangsbereich für den gesamten Nord-Campus

Ein Blick in die Zukunft

So ungewöhnlich die Form so modern ist auch die inhaltliche Ausrichtung des Barrett Center for Technology Innovation (BCTI). Es ist als Forschungseinrichtung ausgelegt, in der diverse technische Fachgebiete wie Automatisierung, Software- und Produktentwicklung sowie digitale Fertigungsprozesse und Makerspaces ihren Platz finden. Hier können und sollen die Studenten mit verschiedenen Partnern aus der Industrie anhand von praxisbezogenen Projekten zusammenarbeiten, um so einen Ausblick auf ihre zukünftige Berufslaufbahn zu gewinnen. Im BCTI finden sich deshalb keine normalen Klassenzimmer, stattdessen sind die Räume auf die Forschung sowie auf die Herstellung von neuen Produkten und Technologien ausgerichtet. So sind die diversen Fertigungs- und Technikzonen als Module mit beweglichen Trennwänden und flexibler technischer Ausstattung ausgelegt. Bei Bedarf können Besprechungsräume und Lagerbereiche in diese Module eingebettet werden. Sie lassen sich gut für unterschiedlichste Projekttypen und Größenordnungen umkonfigurieren.

Energieeffizienz, die inspiriert

Perkins and Will Architects sind mit dem Ziel an die Umsetzung des Gebäudes gegangen, ein neues Flaggschiff für das Humber College zu schaffen, das die Bedeutung des Colleges im Bereich der angewandten Forschung widerspiegelt. Es soll Studenten und Unternehmen in einem Umfeld zusammenbringen, das gleichzeitig inspirierend ist und die höchsten Umweltstandards umsetzt. Diesen Zielen entsprechend, erreicht das Gebäude die beste Kategorie der LEED Umweltzertifizierung, den Platin-Standard. Gleichzeitig verwirklicht es einen Netto-Nullenergie-Ansatz, wofür neben der technischen Gebäudeausstattung eine ganze Reihe an Faktoren in die Gesamtanalyse einbezogen wurden, beispielsweise die Sonneneinstrahlung, der Tageslichteinfall, die natürliche Belüftung sowie eine Optimierung der Gebäudehülle. So sind oben auf dem Gebäude weiße Klimaschutz-Dächer (high albedo roofing) integriert, die die Wärme zurück ins All reflektieren. Gleichzeitig ist das begehbare Dach teilweise begrünt, so dass es zur Regenwasserrückhaltung beiträgt.

Die scharf geschnittene Rückseite verzichtet komplett auf die orangenen Farbakzente und setzt auf einen Mix aus ANTHRA-ZINC, Glas und regional abgebautem Kalkstein für den Sockel

Außenhülle im Dienste der Umwelt

Alle Materialien wurden in Hinblick auf eine geringe Umweltbelastung, Langlebigkeit, Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel und nicht zuletzt in Hinblick auf Gesundheit und Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer ausgewählt – so auch die Außenhülle. Der größte Teil des Barrett Centers ist mit der VMZINC Oberfläche ANTHRA-ZINC bekleidet. Sie trägt durch ihre Lebensdauer von über 100 Jahren sowie ihre Recyclingfähigkeit und Wartungsfreiheit ihren Teil zur sehr guten Umwelt-Zertifizierung des Gebäudes bei.

Auf der Südseite finden sich die „Brise Soleil“, kleine horizontale Auskragungen an den Fenstern, welche die direkte Sonneneinstrahlung abmildern

Kontrastprogramm in Farbe

Die Architekten entschieden sich dafür, die Außenhülle mit VMZINC Steckfalz Paneelen umzusetzen. Mit dem System lassen sich auch so große Flächen wie die über 10.000 m² umspannenden Fassaden des Barrett Centers gut strukturieren. Die klaren Fugen leisten einen wichtigen Beitrag zu einer akzentuierten Linienführung. Dabei fiel die Wahl auf die dunkle ANTHRA-ZINC Oberfläche, da diese dem Gebäude eine zusätzliche Eleganz verleiht, welche die ungewöhnliche dynamische Form gut unterstützt. Die dunkle Farbgebung des vorbewitterten ANTHRA-ZINC kontrastiert zudem deutlich mit der orangefarbenen Giebelwand über der verglasten Lobby im Frontbereich des Gebäudes. Aus diesem Kontrast gewinnt der Eingangsbereich seine große visuelle Anziehungskraft.

Einschnitte größer als sie scheinen

Aufgrund der massiven Größe des Baukörpers wirken die in die Außenhülle integrierten Fenster fast wie schmale Einschnitte in die Fassade. Tatsächlich beträgt das Fenster-Wand-Verhältnis jedoch rund 40%, so dass viel Tageslicht ins Innere gelangen kann. Ein zusätzliches funktionales Element findet sich auf der südlichen Längsseite des Gebäudes. Hier besitzt jede Fensterreihe meist auf halber Höhe eine „Brise Soleil“, also eine nicht bewegliche, horizontale Auskragung, welche die direkte Sonneneinstrahlung reduziert und so sowohl die Aufheizung als auch eine Blendung verringert.

Die Maße von Steckfalz Paneelen und Fensterelementen sind so abgestimmt, dass eine durchgehende Linienführung entsteht

Auf Linie gebracht

Die Steckfalz Paneele wurden vom Unternehmen Bothwell Accurate als vorgehängtes hinterlüftetes Fassadensystem in horizontaler Ausrichtung auf einer Metallunterkonstruktion verlegt. Bemerkenswert ist, dass auch die langen Fensterreihen in passende Modulgrößen aufgesplittet wurden. Dadurch orientieren sich die Pfosten- und Riegelkonstruktionen der Fenster an den Fugenverläufen der Steckfalz Paneele. So ergibt sich ein durchgehender vertikaler Fugenverlauf über beide Oberflächenelemente hinweg, der zu einer gelungenen Integration der Fensterflächen in die Außenhaut aus Zink führt.

Guido Wollenberg

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