An der Universität Bielefeld führen die Straßen auf dem Campus so blumige Namen wie „Gedankengang“, „Aufklärung“ oder „Obere Randbedingung“. Demgegenüber wirken die Bezeichnungen für die Universitätsgebäude schon fast langweilig. So bekam das neue Hörsaalgebäude an der Straße „Konsequenz“ den Namen „Y“. Es liegt direkt neben dem Gebäude „Z“, in dem sich die Erziehungswissenschaften tummeln. Weniger nüchtern als der Name ist das Erscheinungsbild des neuen Hörsaalgebäudes. Es hebt sich mit einer hellen Zinkfassade in der Oberfläche AZENGAR von den bestehenden Gebäuden ab, Fensterbänder in einer goldenen Farbgebung sorgen für optische Kontraste.
Mehr Raum für die Lehre
Das neue Gebäude stammt von behet bondzio lin architekten. Der Entwurf des Architekturbüros konnte sich in einem Wettbewerb der Universität als Sieger durchsetzen. Das Projekt geht mit doppelter Zielsetzung an den Start. Zunächst soll es einen Ersatz für das Audimax bereitstellen, das im Rahmen von größeren Modernisierungsmaßnahmen für einen längeren Zeitraum geschlossen werden muss. Darüber hinaus dient das neue Hörsaalgebäude Y als Herzstück einer Campuserweiterung und soll die Universität, in der die Räumlichkeiten für Vorträge und Vorlesungen knapp geworden sind, auch langfristig fit für die Zukunft machen.

Vorlesung in Hanglage
behet bondzio lin architekten haben für den quaderförmigen Gebäudekörper die Hanglage an den Ausläufern des Teutoburger Waldes ausgenutzt. Der hintere Teil des Gebäudes führt in den Hang hinein, die Bestuhlung des Hörsaals mit 650 Sitzplätzen folgt dessen natürlichem Verlauf. Ein Vorteil dieser Einbindung in die landschaftliche Erhebung ist, dass auch die Brandschutz-Fluchtwege aus dem oberen Geschoss des Hörsaals ebenerdig ausgelegt werden konnten. Der obere Bereich ragt so weit aus dem Erdreich hinaus, dass der Innenraum über Fensterflächen an den Längsfassaden gut mit Tageslicht beleuchtet werden kann.
Seminarräume ergänzen den Hörsaal
Das neue Bauwerk orientiert sich zum Universitätshauptgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. An der Frontseite kragt das Obergeschoss über das Eingangsfoyer hinaus. Die eingeschossige Auskragung signalisiert die Lage des Haupteingangs und dient gleichzeitig als natürliches Vordach. Hinter der Auskragung bieten drei frei bestuhlbare Seminarräume zusätzlichen Platz für je 50 Studierende. Diese Räume im Obergeschoss sind über eine Treppe im zentralen Kern des Gebäudes erreichbar, während der Hörsaal selbst ebenerdig betreten wird. Der zentrale Kern enthält zudem die erforderlichen Nebenräume samt Haustechnik und einen Aufzug.

Nachhaltige Materialien
Die erdberührten Bauteile wie die Flächengründung und der zentrale Kern wurden in Stahlbeton ausgeführt, um den Brandschutzanforderungen der Feuerwiderstandsklasse F90 Genüge zu tun. Das verbleibende Tragwerk, die Geschossdecken und die Gebäudehülle wurden in Holzbauweise errichtet, Brettsperrholzelemente bilden die Außenwände. Die Universität als Bauherrin und behet bondzio lin architekten verwendeten dabei möglichst umfassend Holz als Material, da es sich durch einen geringen Primärenergieeinsatz und eine einfache Wiederverwertung am Ende des Lebenszyklus auszeichnet. Diese ökologisch bestimmte Materialwahl spielte neben dem Erscheinungsbild auch bei der Außenhülle eine Rolle, sie ist mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade aus Zink bekleidet.
Auf die richtige Temperatur gebracht
Kühlung und Beheizung des Gebäudes übernimmt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, die ihren Strom von einer Photovoltaik-Anlage bezieht. Unter Spitzenlast steht für die Versorgung der Heizungsanlage zusätzlich ein Brennwertkessel bereit. Die Beheizung wurde als Niedertemperatursystem ausgelegt und erfolgt im Hörsaal über Deckenstrahlplatten und im restlichen Gebäude über eine Fußbodenheizung.

Mit Spannung zu einem ausgewogenen Bild
Die besonders helle und matte VMZINC Oberfläche AZENGAR wurde in Anlehnung an die hellweißen metallischen Fensterbänder des Hauptgebäudes aus dem Jahr 1969 gewählt. Die hinterlüftete Zinkfassade in Stehfalzdeckung folgt einer horizontalen Linienführung. Hierfür wurden Zinkscharen in drei unterschiedlichen Breiten verwendet. Die handwerkliche Verlegungsart als Stehfalz wurde ausgewählt, weil sie eine lebendige Textur auf den Zinkbändern erzeugt, die sich mit wechselndem Lichteinfall wandelt. Die Fenster aus Sonnenschutzglas mit einer Einfassung aus eloxiertem, goldfarbenem Aluminium heben sich nicht nur farblich von den AZENGAR-Bereichen ab. Um den Kontrast zu steigern, wurden sie in vertikaler Ausrichtung und dazu mit gleichbleibenden Abständen und Breiten verlegt. Auch die einzelnen Fenstereinheiten der Pfosten-Riegelkonstruktion besitzen eine senkrechte Orientierung. Das Eingangsfoyer und die darüberliegenden Fenster der Seminarräume greifen diese Materialwahl und Formensprache auf. So entsteht ein ausgewogenes Gesamtbild aus hellgrau-silbrigen Zinkflächen mit horizontaler Linienführung und vertikal ausgerichteten Fenstern mit goldfarbenen Einfassungen.

Den Lebenszyklus im Blick
Die Wahl der Zinkoberfläche für die Außenhaut des Hörsaals folgte dem gleichen ökologischen Ansatz wie die Entscheidung, so weit wie möglich auf eine Holzbauweise zu setzen. Zink ist ebenfalls ein natürliches Material, das nicht nur eine sehr lange Lebensdauer besitzt, es lässt sich am Ende des Lebenszyklus auch zu 100 Prozent wieder recyceln. Insofern fügt sich das neue Hörsaalgebäude sehr gut an seinen Standort ein, der an der Straße mit dem bezeichnenden Namen „Konsequenz“ liegt.

Guido Wollenberg
Bildrechte: Roland Borgmann