Wellengang mit Stil

Nicht nur in Deutschland leiden Krankenhäuser unter Personalmangel. Auf der gegenüberliegenden Seite der Erdkugel stand die australische Stadt Yarram vor dem gleichen Problem. Yarram gehört zum Bundesstaat Victoria im Südosten Australiens und liegt im relativ kleinen Bereich des Kontinents, der sich einer gemäßigten Klimazone erfreut. Der ungewöhnliche Name der Stadt stammt aus einem Dialekt der Aborigines. „Yarram Yarram“ bedeutet „viel Wasser“ – umgeben von fruchtbarem Farmland hat Yarram Milchprodukte in alle Teile des Kontinents geliefert.

Im Sog der Metropole

Heute kommt die Stadt auf eine Zahl von rund 2.000 Einwohnern. Yarram hat es schwer, medizinisches Personal in die Stadt zu locken oder dort zu halten, denn viele Arbeitskräfte zieht es eher nach Melbourne. Die viereinhalb Millionen Metropole liegt rund 190 Kilometer entfernt im Nordwesten. Durch den Bau eines neuen Gesundheitszentrums sollte der Standort für Fachkräfte attraktiver werden.

Hoffnung und Wohlbefinden

Die Stadt beauftragte das Architektenteam von McBride Charles Ryan mit dem Entwurf des neuen Gesundheitszentrums. Schon beim ersten Besuch in der Stadt beeindruckten die historischen Ziegelbauten das Team, welche noch heute die Hauptstraße von Yarram säumen. „Wir wollten mit unserem Projekt das Gefühl von Hoffnung und Wohlbefinden aufgreifen, dass diese Gebäude zu Ihrer Zeit nach Yarram gebracht haben“, so Debbie Ryan von McBride Charles Ryan Architects.

Die Kolonnaden sind ein Stilelement, das an die Veranden einiger historischer Gebäude von Yarram anknüpft

Architektur mit Anziehungskraft

Yarram besaß bereits ein altes Gesundheitszentrum, mit direktem Anschluss an das Distrikt-Krankenhaus (Yarram & District Health Service / YDHS). Dieses Zentrum sollte jedoch ein neues Gesicht erhalten und bisher verstreute Dienste zukünftig unter einem Dach vereinen. Die Stadt wünschte sich eine moderne Architektur, welche zusätzliche Anziehungskraft auf potenzielle Arbeitskräfte ausübt. Auch die Zusammenarbeit und die Zufriedenheit des bestehenden Personals sollte mit dem neuen Arbeitsumfeld verbessert werden.

Funktionsvielfalt

Das Zentrum greift einige dekorative Elemente der historischen Architektur von Yarram in moderner Form wieder auf. Dabei wurden für die Fassade sogar Ziegelsteine aus dem alten Gebäude wiederverwendet, dessen Funktion und Standort der Neubau übernimmt. Der neue „Integrated Healthcare Center“ (IHCC) getaufte Bau bietet eine Fläche von rund 1.400 m². Auf dieser finden sich unter anderem ein Warte- und Empfangsbereich, Beratungs- und Behandlungsräume für verschiedene medizinische und therapeutische Fachrichtungen sowie Besprechungszimmer, Zimmer für die Krankenschwestern und ein Großraumbüro für die Verwaltung.

Wellen auf allen Ebenen

Außenfront aus Zink und Stahl

Zu den Besonderheiten des neuen Gebäudes zählt ein Grundriss, der einer Wellenform folgt, welche sich auch in den Fassaden- und Deckenelementen wiederfindet. Rund 1.000 m² VMZINC Flatlock Profile in der Oberflächenqualität AZENGAR wurden an der Außenseite verbaut. Vertikal verlegt, bedecken sie den oberen Bereich der Außenhülle. Im unteren Bereich finden sich an den geschlossenen Seiten Ziegelwände. Rund um den Eingangsbereich des IHCC sieht es etwas anders aus. Hier gibt es eine großzügig verglaste Innenfassade. Im Stile der Veranden der historischen Gebäude der Stadt ist dem verglasten Innenraum ein kolonnadenartig überdachter Bereich vorgelagert. Hell lackierte Stahlelemente übernehmen hier die Rolle von Säulen oder Trägern. Sie sind mit gleichmäßigen Abständen zueinander angebracht, die für viel Transparenz sorgen. Nach oben finden diese Stahlelemente einen wellenförmigen Anschluss an die AZENGAR Flatlock Profile, die hier eine opake Fläche bilden.

Markante Übergänge

Die sauber ausgeführte Verarbeitung der Flatlock Profile übernahm der Betrieb JM Cladding in Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmen TS Constructions. Im Übergang zum Flachdach folgen die Profile einer durchgehend geschwungenen Linie. Lebhafter wird es auf der Unterseite, hier zeichnet sich der Übergang vom Zink zu den Stahlprofilen durch einen weitaus stärkeren Wellengang aus. Die Zinkbekleidung erforderte hier eine entsprechende angepasste Unterkonstruktion mit vielen Schwüngen.

Die perfekte Welle

Das Flatlock-System lässt sich sowohl auf ebenen als auch auf leicht gewellten Fassaden einsetzen. Das machte es zur passenden Wahl für den wellenförmigen Grundriss der vorgelagerten Fassade. Die Flatlock Profile verfügen über eine flächenbündige, glatte Oberflächenstruktur, bei der die Befestigungen der einzelnen Elemente unsichtbar bleiben. Die Elemente können bis zu einer Länge von vier Metern gefertigt werden. Das war lang genug, um in Yarram auf horizontale Fugen verzichten zu können. Die einzelnen Elemente werden in den seitlichen Umkantungen mit Haften oder Haftstreifen an der Unterkonstruktion befestigt. Untereinander werden sie durch Einhängen verbunden. Beim Anbringen der Haften und Haftstreifen muss darauf geachtet werden, dass eine thermisch bedingte Längenänderung der Flatlock Profile möglich bleibt.

Der Wellengang pflanzt sich in den Innenbereich fort

Mit Schwung nach innen

Das neue Gebäude zeichnet sich nicht nur durch die Wiederverwendung der alten Ziegelsteine als nachhaltig aus. Neben einer guten Isolierung kamen auch einige regionalspezifische Materialien zum Zuge. So wurde für die Deckenbekleidung, deren wellenförmiger Schwung sich von den Kolonnaden-Decken weiter ins Innere fortsetzt, das Holz einer lokalen Eschenart mit Namen Silvertop eingesetzt. Dieses Holz wurde auch für weitere Elemente der Inneneinrichtung verwendet. Die recht großzügigen Kolonnaden bringen klimatische Vorteile. Sie sollen im Sommer Schatten spenden und in der kalten Jahreszeit, die Wärme der Wintersonne einfangen und in die angeschlossenen Empfangs- und Personalräume leiten. Zudem wurde das Gesundheitszentrum in das System von bestehenden und geplanten Energiespar-, Solar- und Geothermie-Projekten des benachbarten Krankenhauses eingebunden. Den Abschluss nach oben bildet dann das Zink, ein natürlicher, zu 100 % recyclingfähiger Werkstoff, der sehr langlebig und nahezu wartungsfrei ist.

Das Flatlock System kommt am Gesundheitszentrum von Yarram ohne horizontale Fugen aus

Alles für die Gesundheit

Das Projekt zeigt die Möglichkeiten eines modernen regionalen medizinischen Zentrums auf. Gleichzeitig stellt es eine gelungene Kombination von so unterschiedlichen Baumaterialien wie Holz, Glas, Ziegel, Stahl und Zink dar, die sich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen. Neben der Suche nach Fachpersonal verfolgt die Stadt mit dem neuen Zentrum noch einen weiteren Zweck. Die Bewohner von Yarram und Umgebung sollen sich hier so wohl fühlen, dass sie bei Beschwerden möglichst früh oder auch schon präventiv zur Beratung kommen. So soll sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung in der Stadt und den anliegenden Gebieten auf lange Sicht verbessern.

Im Eingangsbereich zeigt der Materialmix seine Vielfalt. Ziegel, Holz, Glas, Stahl und Zink vereinen sich zu einem stimmigen Gesamtbild.

Guido Wollenberg

Bildrechte: John Gollings AM